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Flieg weiter JU-52

Verantwortlicher Autor: Andi Schmidt München (D), 01.09.2018, 00:01 Uhr
Presse-Ressort von: Andi Schmidt Bericht 10484x gelesen
Junkers JU-52 der JU-AIR in Oberschleißheim
Junkers JU-52 der JU-AIR in Oberschleißheim  Bild: Andi Schmidt www.andi-schmidt-aviation.de

München (D) [ENA] *Am 4. August hat für die JU-AIR eine neue Zeitrechnung begonnen. Wenn wir ab heute auf die Geschichte der JU-AIR zurückblicken, dann werden wir immer an die 17 Passagiere und an unsere drei Crewmitglieder denken, die wir auf so tragische Weise verloren haben.*

Mit diesen Worten eröffnete CEO Kurt Waldmeier nach einer Schweigeminute die Medienkonferenz. Beim Unfall einer JU-52 der JU-AIR vom 4. August sind 17 Passagiere und drei Besatzungsmitglieder ums Leben gekommen. Die historische Maschine mit dem Kennzeichen *HB-HOT* war für einen Mehrtagesausflug im Einsatz. Als Flugstrecke ist der Abflug in Dübendorf bei Zürich angegeben mit dem Ziellandeplatz Locarno und dem Rückflug am Folgetag. Die Maschine hob am Samstag (04.08.18) kurz nach 16 Uhr planmäßig zum Rückflug ab.

HB-HOT, 05.10.2008, Oberschleißheim
HB-HOT, 23.05.2009, Oberschleißheim
HB-HOT, 04.10.2009, Oberschleißheim
HB-HOY, 03.10.2010, Überflug Jesenwang-Flugplatz
HB-HOY, 05.06.2011, Friedrichshafen
HB-HOY, 03.07.2010, Oberschleißheim

Mit hoher Geschwindigkeit nahezu senkrecht in den Boden

Nach etwa 50 Minuten Flugzeit überflog der drei-motorige Oldtimer ein Bergmassiv im Graubündner Land und stürzte um 16:56 Uhr südöstlich unterhalb des *Segnespasses/Martinslochs* auf etwa 2.540 Metern Höhe in einem Talkessel auf dem Gemeindegebiet von *Films* ab. Der Himmel war leicht bewölkt, es war ein warmer Tag mit einer in den Bergen häufig üblichen Gewitterneigung für den späteren Nachmittag. Zuvor flog die *HB-HOT* in den hohen Talkessel ein, und verlies diesen Bereich mittels einer geflogener Linkskurve wobei die Maschine abkippte und nach wenigen Sekunden nahezu senkrecht auf dem Gelände aufschlug.

Ob Windböen für diesen unkontrollierbaren Flugzustand führten ist nicht geklärt. Eine Kollision mit einem Hindernis, ein Auseinanderbrechen des Flugzeuges in der Luft, Treibstoffmangel oder Feuer an Bord kann nach jetzigem Ermittlungsstand als Absturzursache ausgeschlossen werden. Eine Flugunfalluntersuchung ist dadurch erschwert, dass das betroffene Flugzeug keinen Flugdatenschreiber hatte. Eine sogenannte *Black-Box* und ein *Voice-Recorder* sind für Oldtimerflugzeuge nicht vorgeschrieben.

HB-HOP, 05.10.2008, Oberschleißheim
HB-HOP, 05.10.2008, Oberschleißheim
HB-HOP, 05.10.2008, Oberschleißheim

Erfahrene Cockpit-Crew

Nach Angaben der JU-AIR wurde der Flug von Berufspiloten durchgeführt. Die beiden Piloten waren 62 und 63 Jahre alt und verfügten über eine Flugerfahrung von 943 bzw. 297 Flugstunden auf der JU-52. Beide waren zuvor rund 30 Jahre bei der Schweizer Luftwaffe sowie bei den Fluggesellschaften Swissair, Swiss und Edelweiss Air als Piloten aktiv gewesen, zuletzt auf den Typen Airbus A330 und A340. Die 66-jährige Flugbegleiterin war mehr als 40 Jahre in ihrem Beruf tätig. Das Flugzeug hatte zum Zeitpunkt des Unfalls 10.187 Flugstunden absolviert und war Ende Juli 2018 letztmals gewartet worden, wobei keine Mängel festgestellt worden waren.

Zitat: *Das Team der JU-AIR ist tief traurig und denkt an die Passagiere, die Crew und Familien und Freunde der Verunglückten. Die JU-AIR hat ihren Flugbetrieb sofort freiwillig ausgesetzt, um den Verunfallten sowie ihren Angehörigen und Freunden ihren Respekt zu zeigen und den Teams der JU-AIR Zeit zu geben, mit der Verarbeitung des Unglücks zu beginnen. Das Schweizerische Bundesamt für Zivilluftfahrt hat erklärt, dass es keine Gründe gebe, die JU-52 der JU-AIR nicht fliegen zu lassen. Auch die bisher bekannten Erkenntnisse der Untersuchungsstelle SUST geben keinen Anlass, an der Betriebssicherheit unserer Flugzeuge zu zweifeln.*

HB-HOS, 04.10.2009, Oberschleißheim
HB-HOS, 04.10.2009, Oberschleißheim
HB-HOS, 05.09.2009, Hahnweide-Kirchheim unter Teck
HB-HOP, 07.07.2018, Rundflug/Charterflug Fa.Dachsel Flugmotoren
HB-HOP, 07.07.2018, Charterflug-Einladung Fa.Dachsel Flugmotoren
HB-HOP, 07.07.2018, Überflug Starnberger See

Flugbetrieb seit 36 Jahren

Weiter steht auf der Webseite: *Die JU-AIR hat deshalb entschieden, den Flugbetrieb am Freitag, 17. August wieder aufzunehmen. Sollte die Untersuchung Erkenntnisse liefern, welche die Sicherheit des Flugbetriebs in Frage stellen, würde dieser umgehend wieder ausgesetzt.* Eine wahrlich schwere Zeit für die JU-AIR, die vor 36 Jahren in der Rechtsform und den Statuten eines Vereines gegründet wurde. Ein Mann der ersten Stunde ist Kurt Waldmeier. Mit 5.000 Stunden Flugerfahrung auf den JU-52-Oldtimern des Vereines ist er bezüglich dem gutmütigen Flugverhalten und der Robustheit der Maschinen zu hundert Prozent überzeugt.

Über 15.000 Passagiere konnten in den letzten Jahrzehnten an Bord der JU-52-Flugzeuge begrüßt werden. Die Mehrheit der Fluggäste verlässt die Maschinen mit einem Strahlen im Gesicht. Eine JU-52 zu Fliegen ist eine bewusste Entscheidung des Fluggastes oder dem Schenker eines Flug-Gutscheines. Einzusteigen in ein zwar 79 Jahre altes Fluggerät, Top gepflegt und gewartet mit den Mitteln heutiger Zeit, aber zurückgesetzt in das Fluggefühl der Vergangenheit mit den sonoren Sound der drei Original-BMW-Motoren.

HB-HOP, 07.07.2018, Starnberger See
HB-HOP, 07.07.2018,Tegernsee
HB-HOP, 07.07.2018, Tegernsee
HB-HOP, 07.07.2018, Allianz-Arena, Anflug Oberschleißheim
HB-HOP, 07.07.2018, Oberschleißheim
Quelle: JU-AIR (oben) / Kantonspolizei Graubünden (unten)

Vereins-Motto: *Flieg weiter JU-52*

Als Auflage wurde vom Schweizerischen Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL unter anderem eine gänzliche Einschränkung der Bewegungsfreiheit in der Kabine verfügt: Da die Passagiere während des gesamten Fluges angeschnallt bleiben müssen, werden Cockpitbesuche nicht mehr möglich sein. Ebenso wird dadurch das Fotografieren aus beiden Seitenfensterreihen stark eingeschränkt. Zudem gilt eine neue Mindestflughöhe von 300 Metern über dem Boden in unbewohnten Gebieten (vorher 150 m) bzw. 600 m über bewohnten Gebieten (zuvor 300 m), sowie die Auflage, ein GPS-Datenaufzeichnungsgerät mitzuführen. Diese Maßnahmen führen zu einer Weiterführung des Flugbetriebes wie schon in 1982 getreu dem Motto: *Flieg weiter JU-52*.

Alle Angaben beziehen sich auf den Kenntnisstand vom 24.08.2018. Dies ist eine provisorische Orientierung über den Hergang des Unfalls ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne Schlussfolgerungen. Die Untersuchung der *SUST/Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle* ist ein aktueller Vorgang, Ergebnisse werden zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht. Für den vorliegenden Presseartikel wurden folgende Quellen hinzugezogen: Wikipedia, Aviation Safety Network, SRF News, Neue Zürcher Zeitung, JU-AIR, Schweizer Radio und Fernsehen, St.Galler Tagblatt, Aargauer Zeitung, Tages-Anzeiger und weitere/ähnliche. Hinweis zum Bildmaterial: Archiv von Andi Schmidt, ein Bild ist eine Collage mit Quell-Angabe *JU-AIR und Kantonspolizei Graubünden*.

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